Ende Mai 2016
Ende Mai fahre ich, Matthias, zu Herrn D. Er wohnt nahe der polnischen Grenze in einer städtischen Unterkunft. Es ist ein Gebäude. 300 Menschen. Er teilt sich seinen Schlafraum mit 11 anderen Männern. Alle sind sehr nett und zuvorkommend.
Herr D. spricht kein Deutsch. Aber schnell sind immer wieder Dolmetscher gefunden. Mitbewohner, die Englisch sprechen können.
Herr D. zeigt mir seine Papiere. Er hat immer noch den Status des Asylbewerbers. Ich ahne, dass da etwas schief läuft. Also setzen wir uns ins Auto und fahren zum BAMF nach Frankfurt/Oder. Ohne Termin. Aber ich bin überzeugend. Wir kommen am Sicherheitsdienst vorbei und landen in einem SachbearbeiterInnen-Büro. Dort wird die Akte von Herrn D. aufgerufen:
Anerkannter Schutzsuchender nach Genfer Konvention! Seit Ende Februar 2016.
Drei Monate wusste Herrn D. nicht, dass er anerkannt wurde. Der Bescheid wurde an seine alte Unterkunft in einem anderen Bundesland geschickt.
Herr D. bekommt eine Kopie seines Bescheids ausgedruckt. Zurück in der Unterkunft machen wir im Internet die Anzeige der Familiennachführung für seine Frau und seine Kinder. Die Frist hierfür wäre Ende Mai ausgelaufen!
Die nächste Baustelle ist die Ausländerbehörde. Die Kopie des Bescheids reicht nicht. Über den Dienstweg muss die Meldung vom BAMF kommen. Die andere Stadt hat alles von Herrn D. . Nur er ist dort nicht. Die Behördenmitarbeiterin ist eine Kata… . Entweder sie ist überfordert kurz vor dem Burn-Out und braucht professionelle Hilfe oder sie gehört an den hintersten Arbeitsplatz in der letzten Ecke des Rathauses. Sehr schade. Sie könnte hier so viel bewegen. Über mehrere hundert Kilometer kann ich Herr D. nicht dauerhaft im örtlichen Behördendschungel unterstützen.
Also suche ich örtliche Unterstützung. Eine Kirchegemeinde bietet Kinderbetreuung und eine Kleiderkammer. Der Pfarrer sagt, damit sein er und seine Gemeinde schon mehr als ausgelastet. Es tut ihn leid. Ein paar Frauen geben ehrenamtlichen Deutschunterricht. Er kennt keine sonstige, ehrenamtlcihe Struktur. Der Flüchtlingsrat des Bundeslandes weiß auch nichts. Auch die Bewohner der Unterkunft kennen nur noch zusätzlich die zwei (drei?) Mitarbeiterinnen ihrer Unterkunft. Diese Mitarbeiterinnen sehen sich nicht in der Lage zu helfen. Sie kämen regelmäßig bei den Behörden nicht durch.
Ein Büro mit einem Wohlfahrtsverbandsmitarbeiter müsste es geben. Und es gibt es tatsächlich. Und dort sitzt tatsächlich ein emphatisch handelnder Mensch. Ich schildere den Fall in Anwesenheit von Herrn D. und seinem Mitbewohnerdolmetscher. Er wird sich kümmern. Wir verabreden Besuche von Herrn D. ohne mich. Der Mitbewohnerdolmetscher ist positiv überrascht. Er hatte sich schon in der Stadt umgesehen, als Künstler auch schon Kontakt zur örtlichen Kunstszene. Dieses Büro kannte er nicht.
Eigentlich wollte ich alles an einem Tag abarbeiten. Es wurden drei Tage. Ich bin guter Dinge, Herrn D., seiner Frau und seinen Kindern einen Schritt weitergeholfen zu haben.
Anfang Mai 2016
Im April 2016 sind Katja und Matthias in einem kleinen Camp nahe Idomeni (Nordgriechenland) auf eine Frau mit ihren zwei kleinen Kindern gestossen. Ihr Mann befindet sich bereits in Deutschland und hat dort Asyl beantragt. Ein Whatsapp-Foto bestätigt diesen Status.
Matthias und Katja versprechen der Frau, ihren Mann in Deutschland zu besuchen, um ihn bei seinem Asylantrag und der anschließenden (hoffentlich möglichen) Familiennachführung zu helfen. Er wohnt nicht in der Nähe des Wendlands, sodass eigentlich nur geholfen werden kann, indem Herr D. mit einer, an seinem Ort angesiedelten Helferstruktur in Kontakt gebracht wird.