Sonntagmorgen fahren wir gut gelaunt und mit einem leicht wehmütigen Gefühl zum Grenzübergang nach Velika Kladusa. Wir sind extra früh aufgestanden und geraten unerwartet in einen langen Grenzstau. Ein wenig aufgeregt sind wir, denn wir führen fremdes Gepäck mit uns.
Doch bevor wir an den Grenzschalter kommen entscheidet unser Auto, dass es weder vor noch zurück geht. Die elektronische Handbremse ist fest und lässt sich nicht lösen. Hinter uns bricht ein Hupschwall los, wir bleiben ruhig. Im Handbuch gibt es nichts Anständiges zu dem Thema zu lesen, stattdessen rufen wir unsere Werkstatt (Dank an Eckart, ASG, aus Lüchow) privat an und bekommen fachkundige Beratung. Parallel schicken wir eine SMS an unseren Gastgeber (von vor vier Wochen), der Automechaniker ist. Er antwortet prompt (alles bosnisch – deutsch mit Google (Graus!)-Übersetzer), das er jemensch vorbeischickt. Matthias prüft Sicherungen und regelt den Verkehr. Das alles 1 m vor der kroatischen Grenze auf der Brücke des Grenzflußes.
Irgendwann kommt „unser“ Mechaniker, drückt 20x auf den Schalter für die Handbremse, bis wir ihn stoppen. Denn natürlich tut sich nichts, haben wir ja auch schon probiert. Er ruft eine andere Werkstatt an. Die kommt relativ schnell im Hupgewitter an und fängt direkt vor Ort an zu arbeiten. Der Motor der linken Handbremse wird ausgebaut, das Auto fährt wieder- bis zur Werkstatt zurück nach Velika Kladusa. Dort wird innerhalb einer Stunde der Rest der Reparatur vorgenommen und mit 4,5 Stunden Verspätung stehen wir wieder im Grenzstau nach Kroatien. Nach 30 Minuten kommen die Werkstattmonteure angerast, finden uns ungefähr an der selben Stelle wie bei der Panne und überreichen freudig erregt die Nuß, die zum Reifenwechsel dringend erforderlich ist, und die sie aus Versehen in der Werkstatt in ihren Werkzeugkasten getan haben. Wir sind begeistert über die Menschen, die uns an diesem Morgen so schnell und dabei noch so zuverlässig und freundlich in der „festgefahrenen Situation“ geholfen haben. Dabei vergessen wir fast, dass wir das Gepäck von den zwei Familien im Kofferraum haben, die vor ein paar Tagen „irrtümlich“ und als inoffzielle Patchworkfamilie im Krankenwagen nach Kroatien „überführt“ wurden.
Am Vorabend hatte uns der Vater des verletzen Sohnes aus Zagreb aus dem „Begrüßungszentrum für Asylsuchende“ angeschrieben, ob wir Gepäck aus Sturlic nach Zagreb bringen könnten. Unser letzter Abend am Samstag war dann mit der Abholung ausgefüllt und mit der Übernahme eines Handys von einer anderen Familie, dass wir auch mitnehmen sollten.
Für die Grenze war uns ein wenig unklar, wie wir dieses fremde Gepäck bei einer genauen Kontrolle erklären sollten – aber so weit kam es dann gar nicht. Die Grenzer waren nicht an unserem Gepäck interessiert.
In Zagreb klappt alles wunderbar. Unserer Kontaktfrau nimmt in einiger Entfernung zum Asylzentrum das Gepäck entgegen. Die zwei Familien stehen dort noch für weitere 10 Tage unter Quarantäne. Wir bitten beide Familien uns per Facebook den Erhalt der Dinge zu bestätigen. Die Bestätigung ist bisher nicht eingetroffen und wir hoffen sehr, dass das Eigentum irgendwann richtig dort ankommt.
Abends um 22 Uhr erreichen wir dann unser Quartier im Bayerischen Wald. Hier wollen wir uns Zeit nehmen, um Abstand zu bekommen, die Zeit in Bosnien auszuwerten, Restarbeiten zu machen und die Nacharbeit für zuhause zu planen. Noch ist uns nicht nach Telefonaten mit lieben Menschen, oder sms schreiben. Wir sind noch in einer Zwischenwelt- zumindest ich, Katja, brauche Zeit und merke, wie mir beim Schreiben die Tränen kommen. Ich brauche Zeit, bei mir anzukommen, ohne mich gleich auf andere einzustellen, den Kummer und die Hilflosigkeit zu verarbeiten und Kraft zu tanken, die Menschen, denen wir begegnet sind, loszulassen – und sie gleichermaßen weiter im Herzen zu tragen.
Bis Sonntag werden wir hier im Blog noch Themen ansprechen, die bisher keinen Platz gefunden haben.
Allerdings dürfen Clara und Jan ab jetzt entspannt davon ablassen, unsere Reise zu verfolgen. Sie waren unsere Sicherheitsstruktur für den Fall, dass wir uns auf einmal nicht mehr melden. Herzlichen Dank an die beiden für die wohltuende und Sicherheit gebende Arbeit!