Wir sind wieder auf der Westseite in der Region Sturlic unterwegs. Schon am frühen Vormittag treffen wir viele Gruppen, die am frühen Morgen gepushbackt wurden. Darunter auch die drei Familien aus dem Haus von gestern. Über eine Wegstrecke von 3 km sind die 20 Personen in kleinen Untergruppen verteilt. Sie schleppen sich mit „unseren“ Rucksäcken und vielen Plastikbeuteln (die hauchdünnen) am Straßenrand entlang. Wir halten mehrmals an, begrüßen die enttäuschten Erwachsenen, verteilen Schokolade und neue Babytragen (nicht nur die Powerbank, die wir gestern ausgehändigt haben ist eingesackt worden, sondern auch die Babytragen sind den Familien weggenommen worden).
[ Babytragen werden hier nicht als Babytragen, sondern als Kindertragen für bis zu 4 Jahre alte Kinder genutzt. Der Verein „Babytragen spenden“ aus der Schweiz sammelt schon seit 2015 u.a. für uns gebrauchte Babytragen. Innerhalb von zwei Wochen nach Bitte um diese Tragen erhielten wir riesige Kartons mit 50 supertollen Babytragen, darunter auch Tragen für Neugeborene. An dieser Stelle noch einmal einen großen Dank, an euch, liebe Aktivist*innen aus der Schweiz ]
Bevor die Familien ihr „Haus“ erreichen bringen wir noch Trinkwasser zur Begrüßung hin. Sie fragen nach Essen. Heute haben wir nichts dabei, der Kofferraum ist voll mit medizinischem Equipment und Wasser.
Wir fahren weiter und reichen noch an weiter „Wandergruppen“ Schokolade und Wasser und kommen dann zu dem Haus auf dem Berg, wo vorgestern noch 80 Menschen lebten. Heute ist es stiller hier. Leider ist die Frau mit dem Kaiserschnitt und Baby tatsächlich schon wieder „on the game“. Eigentlich hätte ich mir gerne noch einmal ihre Wunde angeguckt. Auch das hustende Kind, das zusätzlich einen heftigen Mundsoor hatte, wollte ich heute behandelt. Aber alle Familien von vorgestern sind unterwegs. Die 20 neuen Bewohner*innen freuen sich über das Wasser und wir können ein paar Dinge medizinisch versorgen: Krätze bei nur zwei Menschen (wir lassen Essig da), Zahnschmerzen (wir geben einem Jungen eine Mundspülung), Hautauschlag (wir geben Combudoron gegen den Juckreiz und beruhigen, dass es nichts schlimmes ist). Viele kleinere Probleme entstehen besonders durch die fehlende Körperreinigung auf Grund des Wassermangels und die fehlende Wechselkleidung.
[Essig gegen Krätze: In Serbien 2017 haben wir zusammen mit Falko ein Scabie-Wash Programm entwickelt. Grundgedanke war der, dass die chemische Keule Permethrin immer nur über ärztliche Verschreibung in den Durchreiseländer für Migrant*innen erhältlich ist. Wir behandeln alternativ mit Essig, das lindert den Juckreiz und kann in Verbindung mit frischer Kleidung (alte Kleidung eine Woche in Müllsäcken irgendwo verschlossen lagern) die Krätze zurückdrängen. Vorteil: Essig ist überall in der Welt preisgünstig erhältich; Migrant*innen haben eigenen Zugang zur Therapie und werden nicht abhängig von medizinischen Hilfsstrukturen; gesundheitliche Schäden werden vermieden. Mehr könnt ihr hier lesen (leider nur in englisch)]
[ zu unseren Fotos: Vielleicht findet ihr unsere Fotos immer etwas unpersönlich. Das finden wir auch selber. Aber wir schützen das Recht der Menschen auf digitale Privatsphäre und versuchen, wo auch immer es passt, möglichst keine Gesichter in Nahaufnahme zu zeigen. Wer weiß, wo das Bundesamt für Migration oder ähnliche Behörden die Recherchen anstellen – und Gesichtserkennungssoftware ist mittlerweile nicht nur beim Militär erhältlich und einsetzbar]
Dann biegen wir ab zu einem neuen Haus. Auch dort gibt nur kleinere Hautprobleme und Überdehnung der Achillessehne und die „üblichen“ Kopfschmerzen („mehr Trinken“ als Beratungskern kann hier zum Glück umgesetzt werden, da der Nachbar immer mal wieder eine Wasserentnahme auf seinem Grundstück zulässt).
Auf dem Rückweg kommen Anfragen per Facebook. Morgen bringen wir Essen für 20 Personen nach Sturlic (den Großteil haben wir schon heute abend eingekauft) und neue Kleidung für zwei Männer aus Afghanistan.
Und wir checken das Vereinskonto und freuen uns über neue Spenden von euch. Herzlichen Dank dafür!!!!!