Vor gut einem Monat kamen wir in Bosnien an. Jetzt sind wir zurück, die europäische Grenze wie im Schlaf passiert, die so viele Menschen trennt zwischen Hoffnung und Gewalt, deren Überqueren so viel Leid bedeuten kann. Wir sind zurück in den sicheren vier Wänden, in der Wärme des hiesigen Wohnstandards. Jede*r empfand die Rückkehr etwas anders. Von Dankbarkeit in Frieden, Wärme, Freiheit und Sicherheit tagtäglich aufwachen zu dürfen bis hin zu dem Widerstand, die Eindrücke und Erzählungen nicht harmonisieren zu wollen mit der eigenen Erlebniswelt in Deutschland. Wir sind zurück, doch die unhaltbare Situation bleibt.
Hinter uns liegen zwei Wochen des Eintauchens in eine bis dahin noch nicht erfahrene Situation von Menschen auf ihrer Durchreise, voller Hoffnung auf ein Leben in Frieden, voller Entbehrungen und körperlich erfahrener Gewalt. Während ich das hier schreibe frage ich mich noch, wie viele jetzt wohl losgegangen sind, gestern Nacht, wie viele jetzt in der Kälte ausharren, wie viele sich jetzt wappnen, um die Schläge auszuhalten.
In den zwei Wochen vor Ort haben wir zuerst viel auf der Ebene „help the helpers“ mitgewirkt. Wir haben zunächst die Volunteers (Freiwillige, die den Menschen on the move in ihren Squats tagtäglich Essenspakete und Sachspenden bringen) mit neuen Treppen, Türen, Regalen und beim Sortieren unterstützt.
Nachdem wir die zugesagten Bauprojekte abgeliefert haben, sind wir in der zweiten Hälfte unserer Zeit in Bosnien eingetaucht in die immer wiederkehrende tägliche Arbeit der Volunteers in Kladusa. Am Abend konnte nun nicht mehr ein abgeschlossenes Projekt gefeiert werden, sondern die Szenerie bestand aus den immer gleichen Aufgaben, die aus dem nicht abreißenden Bedarf entstehen: tagsüber Schlafsäcke, Schuhe und Essenspakete packen, um sie nachts an verabredeten Orten unbemerkt zu übergeben. Ich habe großen Respekt vor dem Einsatz der Volunteers, die wochenlang selbst in rohbauähnlichen Räumen schlafen, um alltäglich bis spät in die Nacht wieder und wieder den dringenden Bedarf der Menschen on the move begegnen. Denn, trotz Push-backs und Gewalt – die Menschen sind unterwegs. “Freedom of Movement – ist everybody’s right” prangern die Wörter an der Wand des Aufenthaltsraum der Volunteers. Vielleicht auch als Erinnerung, wenn die Ausmaße der gewaltsam bewachten Grenze Europas einem den Glauben an humanitäres Gedankengut rauben wollen.
Mit Rückblick auf die erlebte Zeit können wir als gemeinsames Fazit sagen, dass es gut war, aus der Ohnmacht und Hilfslosigkeit heraus uns zu konfrontieren mit der Situation vor Ort und tätig zu werden. Eine gut organisierte Vor- und Vernetzungsarbeit hat ermöglicht, dass wir trotz der kurzen Zeit wirksam werden konnten. Es hat uns sehr beeindruckt, wie viel Bereitschaft, Arbeit und Engagement von aktiven Bosnier*innen und internationalen Volunteers aufgebracht wird. Und es erstaunt, wie doch humanitäre Hilfe von offizieller Seite nicht gewünscht ist, dass man als Volunteer im illegalen Bereich agiert, Falschaussagen treffen muss, sich als Tourist*in auszugeben hat, da sonst ein Arbeitsvisum nötig wäre und dieses an freiwillige Helfer*innen nicht ausgestellt wird. Unsere Erfahrungen beziehen sich auf allein reisende junge Männer, zusammen geschlossen in Gruppen, die sich irgendwie anders durchschlagen müssen, da die offiziellen Camps Kindern, Minderjährigen und Frauen vorbehalten oder einfach überfüllt sind.
Durchweg haben wir nette und freundliche Menschen on the move getroffen, konnten uns zuletzt gar nicht mehr retten vor Einladungen zum Abendessen – sind tief berührt von der praktizierenden Gastfreundschaft der Heimatlosen. Die Kraft der jungen Leute, das durchzuhalten, teils zum 20. bis 50. Mal aufs “game” zu gehen oder bis zu zwei Jahre vor der europäischen Außengrenze aufgehalten zu werden, die Zuversicht und Hoffnungsstärke dieser jungen Menschen hat uns tief beeindruckt. Und nicht zuletzt ist uns das Privileg erstmals authentisch erfahrbar geworden, freie*r Erdenbürger*in zu sein.
Die Unterstützung dieser Aktion durch Sach- und Geldspenden war eine der wichtigen Grundlagen, um insbesondere in der Kürze der Zeit viel Wirkung erzielen zu können. So fuhren wir mit über einer Tonne ausgewählter Sachspenden (unpassende Spenden gingen an die Heilsarmee und ans Sozialkaufhaus), inkl. einer Strafzahlung wegen Überladung, über die Grenzen und passierten den Zoll.
Das ungeahnt große Spendenaufkommen hat uns ermöglicht, neben den Sprit-, Maut- und sehr geringen eigenen Unterkunftskosten, viel Baumaterial und Sachen des täglichen Bedarfs zu kaufen. Somit flossen Eure Spenden zum größten Teil in Schuhe, Powerbanks, Lebensmittelspenden, Brennholz und eine einjährige Dixiklo-Patenschaft (wichtiger Bedarf).
Damit diese und weitere Aktionen solcher Art mehr erreichen als nur das bloße Hinfahren an die europäische Außengrenze, ist ein Vernetzen und Bekanntmachen über einen Mailverteiler so wichtig. Deshalb trage Dich bitte in unseren Verteiler ein, sodass Du unabhängig von persönlichen Kontakten über weitere mögliche Aufrufe informiert wirst. Es erreichen Dich nur gezielte Aufrufe und Bekanntmachungen, keine Newsletterflut! Zum Anmelden schreibe uns eine Mail an: info[ät]grenzenlos-people-in-motion.eu