Lange habe ich, Katja, mich nicht mehr so ohnmächtig gegenüber staatichen Strukturen gefühlt, wie hier, in der Winterkälte zwischen Müllhalde und Schilfgräsern.
Wir wandern von kleinen Wohnansammlungen mit ein oder drei kleinsten Zelten zur nächsten. Die Zweige sind mit Raureif überzogen. Der Boden knüppelhart, an manchen Stellen wohl mal durch eine wärmere Mittagssonne leicht aufgeweicht.
Überall sitzen junge Männer aus Pakistan an stark qualmenden Feuern. Das Holz ist frisch aus dem Baum gerissen. Es brennt nicht richtig, weil es zu feucht ist. Auf den Feuern stehen Töpfe, in denen eine warme Mahlzeit vor sich hinkocht. Es gibt keinen Tee, das Brennholz ist zu knapp.
An einer Feuerrunde sitzen wir mit drei jungen Männern zwischen 16 und 23 Jahren zusammen. Ihnen geht es nicht gut. Sie vermissen ihre Eltern. Als wir gehen bitten sie mehrmals „Pray for us“.
An einer anderen Feuerrunde kommen wir ganz schnell ins Gespräch: Warum diese Grenzen? Warum Papiere? Und kurz ein revolutionärer Gedanke: Was, wenn alle Menschen ihre Papiere verbrennen würden? Sollen wir jetzt anfangen? Gleich hier? Dann doch ein Rückzieher. Aber nur ganz kurz wehte ein Hauch von freedom of movement durch die alte Fabrikhalle.
Aber diese Idee weitergedacht: Warum machen wir nicht eine Kampagne, in der wir in Deutschland unseren Reisepass öffentlich verbrennen? So wie Kriegsdienstverweigerer ihren Einberufungsbescheid oder ihren Wehrpass verbrannt haben? Entweder gibt es für alle Menschen auf der Welt Reise- und Bewegungsfreiheit oder für keine.
Immer wieder treffen wir auf Menschen, die erzählen, wie sie nachts die Grenze überquert haben haben und dann zurückgewiesen wurden. Und auch bei diesen Erzählungen entstehen neue Ideen: Warum begleiten wir diese Menschen nicht auf ihrem Weg über die Grenze? Wir, für die die Grenzen ja in gewisser Weise gar keine Ausgrenzungen darstellen. Wir könnten begleiten, dokumentieren, Schutz bieten, so wie das Balkan Peace Team.
So viele Ideen….