Abschied

Samstag, 23.April 2016

Unser letzter richtiger Tag in der Flüchtlingsunterstützungsarbeit in Griechenland.

Wir haben viel vor:

Am Morgen macht Katja Abschlussbesuche auf der EKO (Tankstelle an der Autobahn nach Mazedonien, auf der zur Zeit ca. 450 Menschen leben.) Der Abschied fällt schwer. Bei vier Frauen mache ich noch eine Vorsorge, freue mich mit ihnen, dass es ihnen gut geht. Die letzten Vorräte an Folsäure und Weledasachen werden verteilt. Wir lachen und versuchen die beklemmende Situation zu verdrängen. Es gibt keine Nachfolgerin für mich. Ich kann den Frauen nur empfehlen, bei Problemen zu den unterschiedlichen Ärzteteams zu gehen oder wahrscheinlich besser, den Krankenwagen zu rufen und ins Krankenhaus zu fahren. Die Ärzteteams bestehen häufig aus Ärzten ohne gynäkologische Qualifikation, die aber gerne und viel Antibiotika bei Husten oder bei Atembeschwerden verschreiben. Häufig sind auch Medizinstudent_innen vor Ort, die hier eine  „Probetätigkeit“ ausüben – das wird den Menschen aber meist nicht gerecht. Da ist die aufsuchende Arbeit im Zelt eine ganz andere, die Frau als Ganzes wahrnehmen und nicht nur ihre entzündeten Augen, ihr spröden Lippen oder ihre Kopfschmerzen. Stehend vor einem Medizinerauto in eine Gruppe von wildfremden Menschen mit einer 2-Minuten-Sprechzeit ist nicht angemessen. Gerade die ständigen Kopfschmerzen oder auch Nierenschmerzen sind nur der Eisberg eines im totalen materiellen Mangel befindlichen wie auch heimatlosen Menschen und brauchen Behandlung. Darüberhinaus aber auch noch mehr….

Matthias fährt zur BP-Tankstelle und verabschiedet sich von der syrischen Familie des schon im Blog erwähnten querschnittsgelähmten Flüchtenden. Schaut am Donnerstag in der ARD „Panorama“. Es kann sein, dass dort deren Geschichte dargestellt wird. Matthias ist entschlossen vorher hier seine Sicht auf ein kleines Wunder zu beschreiben.

Am Nachmittag versuchen wir gute Lösungen für unser restliches Material zu finden. Einige Kisten landen in dem supertollen „warehouse“, dem Lagerhaus der independent volunteers. Anderes, insbesondere Medikamente geben wir an medizinische Fachkräfte ab.

Im Lagerhaus suchen wir Decken, Bergstiefel und warme Jacken

Im Lagerhaus suchen wir Decken, Bergstiefel und warme Jacken

Ein letztes Mal kaufen wir 0,5l Wasserflaschen, laden im Lagerhaus neue Wanderstiefel, Rucksäcke, Decken und Windeln ein und fahren zu dem von uns nun schon sehr vertrauten Ort (den wir hier nicht näher beschreiben, damit die Menschen dort nicht gefährdet werden.)

Dort treffen wir erneut auf völlig erschöpfte Familien und Einzelne, die kaum noch Kontakt aufnehmen können. Sie waren in der Nacht wieder unterwegs, sind aufgegriffen worden und gerade am Zurückkehren.

Heute abend gibt es fordernde Männer, die schon fast ein wenig zornig sind, dass wir keine Schuhe oder Hosen in ihrer Größe haben. Wir ziehen uns wieder zurück und fangen dann erstmal wieder nur mit den Babytragen an. Fast alle große Tragen, die wir mitgebracht hatten, sind nun schon vergeben. Zum Glück ziehen nur wenige Familien mit sehr kleinen Säuglingen nachts über die Grenze, so daß wir noch einige Tragen übrig haben.

Heute verteilen wir Schokolade direkt an die Gruppen, die losziehen. Auch Wasser wird wieder dankbar angenommen.

Katja trifft heute noch eine neue Schwangere an einem ganz neuen Zeltort. Sie ist im 7. Monat schwanger und macht sich Sorgen um ihr Baby. Bisher hat sie noch keine Herztöne gehört, da sie keinerlei medizinische Versorgung für ihre Schwangerschaft hatte. Es ist das erste Mal, dass es gelingt, auch den Vater mit einzubeziehen. Er tastet sein ungeborenes Baby im Bauch und beide freuen sich, den Herzschlag ihres Kindes zu hören. Evtl. hat die Familie die Chance, an einem Relocationprogramm der UN teilzunehmen. Katja schreibt ein Bestätigung, dass eine Umsiedlung in ein besseres Quartier im 60km entfernten Thessaloniki dringend notwendig ist.

Früh um 21.30 Uhr sammeln sich keine neuen Gruppen mehr um loszugehen. Heute abend konnten wir noch mal einigen Menschen ein wenig Wegzehrung mit auf den Weg geben. Wir gehen mit ein wenig Wehmut. Zeit für ein Fazit wird in den nächsten Tagen sein.